Die Gersdorfer Ruine: von Geburt an verfallen...

Die Gerdorfer Ruine (381 m) ließ (laut A. Meiche*) Wilhelm Friedrich August v. Leyßer (1771-1842) errichten, vermutlich nachdem er 1822 das Kurbad Berggießhübel erworben hatte und zu seiner Blüte zurückführte. Neben anderen Anlagen in Berggießhübel diente die künstliche Ruine mit ihrem damals möglichen Rundumblick der Unterhaltung seiner Kurgäste. Ihr ursprüngliches Aussehen beschreibt Ruge** im Jahre 1885 so:

"Aus den "Mahlerischen An- und Aussichten der Umgebung von Dresden"*** (...), war mir längst bekannt, daß im Anfange unseres Jahrhunderts die Ansicht von der Gersdorfer Ruine sehr geschätzt gewesen sein mußte, (...) aber ich habe jahrelang nicht gewußt, wo ich diese Ruine, resp. Burg, zu suchen hätte (...) Daß diese Ruine seit zwei Jahren im "Partie-Buch" der Sektion Dresden sogar mit einem Sternchen figurierte, war mir entgangen (...) So scheint die Kenntnis jenes Punktes also nur im Besitz der Eingeborenen der Umgebung sich im Stillen bewahrt zu haben (...) Seitdem ich endlich so glücklich gewesen, wenigstens litterarisch und kartographisch die rätselhafte Ruine entdeckt zu haben, (...) gelang es uns, Herrn Direktor Pollatz, Herrn Martin und mir, das ersehnte Ziel zu erreichen.

Vom Berggießhübler Bahnhofe aus wanderten wir auf dem Ottendorfer Fußsteige, zwischen den Gersdorfer und Zehistaer Sandsteinwänden durch hübschen Laubwald hinauf, auf das öde Heideplateau, das, von einzelnen verkrüppelten Kiefern und Wacholderbüschen bestanden, hier und da von dürftigen Ackerland unterbrochen, nach Süden und Westen schroff abstürzt, nach Nord-Ost aber sich ganz allmählich senkt, ohne irgendwo eine auffällige Kuppe oder Spitze zu bilden, so daß dasselbe auch in der Ferne keineswegs auffällt oder den Blick auf sich ziehen kann. Nachdem wir uns auf der topographischen Karte orientiert, verließen wir den bequemen Fußweg und wandten uns in die pfadlose Heide linkshin nach Westen, wo eine halb von Birken versteckte unscheinbare Felsmasse unser Ziel zu sein schien.

Wir hatten uns nicht getäuscht und waren etwa nach 10 Minuten am Fuße der Ruine, (...) die Nachbildung eines runden Burgturmes, der etwa 15 Ellen überm Erdboden abgebrochen ist. Sie enthielt (nach Gersdorf zu) eine Nische und eine Küche; eine verborgene Treppe führte auf seine Höhe. Die Nische, in der aber gewiß 20 bis 30 Personen bequem Platz haben, ist durch mächtige Sandsteinblöcke gewölbt und bis auf die verfallenen Sitze rings an den Wänden, noch wohlerhalten; der Küchenraum, rechts neben dieser Felsengrotte, ist eingestürzt, die Treppe ist ganz verschwunden. Man steigt von Osten her auf die Höhe und genießt oben eine eigenartige Aussicht. (...) Ich möchte hier den Gedanken anregen, ob nicht die Dresdner Sektion (...) sich nicht für den in ihrem Partiebuch besternten Aussichtspunkte weiter interessieren könnte, und falls die Genehmigung des Besitzers eingeholt ist, zur Wiederherstellung einer unbeschränkten Rundsicht und Pflege des Platzes Hand anlegen möchte. Wir finden uns hier, seitdem die Sektion Berggießhübel entschlafen ist, auf völlig neutralem Boden und die Arbeit ist, ohne erhebliche Kosten lohnend und dankbar."

Die nebenstehende Postkarte von 1899 zeigt noch den Eingang zum Nebenraum, der heute restlos verschüttet ist. Der "Touristenführer durch die Sächsische Schweiz und die angrenzenden Gebiete"**** beklagte 1906 den fortgeschrittenen Verfall der Ruine: "Sie war ursprünglich eine künstliche, ist aber gegenwärtig eine natürliche geworden". Die Gersdorfer Ruine ist bis heute ein beliebtes Wanderziel, wenn auch ihre Besteigung nicht mehr zu raten ist. Der in unmittelbarer Nähe befindliche Aussichtspunkt, von ABM-Kräften in den 90er Jahren wieder hergestellt, wird seinem Zweck wegen der hochgewachsenen Bäume zur Zeit nicht gerecht.

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Wir danken Herrn Rudolf Grischeck, Gersdorf für seinen Beitragstext und seine umfangreichen Informationen. Die Anregung für diesen Artikel gab uns Herr Klaus-Jürgen Matthees, Zwiesel.

Quellen:
*Alfred Meiche: Historisch-Topographische Beschreibung der Amtshauptmannschaft Pirna,
Dresden 1927, S. 75
**S. Ruge in der Monatszeitschrift "Über Berg und Thal",
8. Jahrgang, Nr. 7 1885, Verlag Diller & Sohn, S.341 ff
***"Mahlerische An- und Aussichten der Umgebung von Dresden"
radiert von C.A.Richter und A.Louis Richter, Dresden 1820
****Theodor Schäfer: "Touristenführer durch die Sächsische Schweiz und die angrenzenden Gebiete", Verlag C.C. Meinhold und Söhne, 1906
Gersdorf in der deutschen Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Bahretal#Gersdorf


Die Gersdorfer Ruine in heutiger Zeit.
Foto: B. Fischer, 2001



Die Aussicht vom Turm um 1820, radiert von Richter


Litho von 1899, Sammlung Rudolf Grischeck, Gersdorf


Die Gruft Leyßers auf dem Berggießhübler Friedhof
Foto: B. Fischer, 2004